
Rechtliche Hintergrundinfos
Auf jedwede rechtliche Grundlagen einzugehen wäre an dieser Stelle zu viel verlangt und auch schier unmöglich. Daher werden hier nur einige beispielhaft genannt, welche sich mit Menschen mit Behinderung und Assistenzhunden beschäftigen.
Völkerrecht (UN-Behindertenrechtskonvention)
UN-BRK trat am 26.03.2009 in Deutschland in Kraft und besagt:
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Artikel 1: Begriff “Menschen mit Behinderungen” = Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können

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Artikel 3: Nichtdiskriminierung, Teilhabe an der Gesellschaft, Menschenwürde und Chancengleichheit
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Artikel 6: Frauen mit Behinderung werden aus mehrfachen Gründen diskriminiert und müssen gestärkt und geschützt werden
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Artikel 9: tierische und menschliche Assistenz zur Verfügung stellen
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Artikel 19: Menschen mit Behinderung haben das Recht auf Unterstützung, welche der Isolation entgegenwirken und ein Leben in Gemeinschaft ermöglichen
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Artikel 20: die Mobilität von Behinderten mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherstellen, und den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen, Geräten, unterstützenden Technologien, menschlicher und tierischer Hilfe sowie zu Mittelspersonen erleichtern
Europäische Menschenrechtskonvention
Diese wurde am 04.11.1950 verabschiedet und wird vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte überwacht.
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Artikel 14: das Diskriminierungsverbot sichert zu, dass jeder die in der Konvention festgehaltenen Menschenrechte und Grundfreiheiten ausüben darf und jedwede Diskriminierung, gleich aus welchem Grund, wird verboten

Charta der Grundrechte der Europäischen Union
Die Charta (oft als GRC oder GRCh abgekürzt) gilt für alle Staaten der EU, außer Polen und dem Vereinigten Königreich, und wurde am 07.12.2000 unterzeichnet.
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Artikel 20: alle sind vor dem Gesetz gleich
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Artikel 21: Diskriminierungen egal weswegen (auch wegen einer Behinderung) sind verboten
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Artikel 26: "Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft."
Am 02.07.2008 legte die Europäische Kommission zusätzlich einen Entwurf vor: "Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung". Im Kompromissvorschlag vom 06.03.2009 heißt es dort u. a.:
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"Ein effektiver diskriminierungsfreier Zugang kann auf verschiedenen Wegen gewährleistet werden, darunter auch mit Hilfe des Konzepts des „Design für Alle“ und indem Menschen mit Behinderungen die Verwendung von Hilfsmitteln erleichtert wird, einschließlich von Hilfen für Mobilität und Zugang, wie etwa anerkannte Blindenführ- oder Assistenzhunde."
Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
Das BGG trat im Mai 2002 in Deutschland in Kraft. Es gilt für alle Behörden, Körperschaften und Anstalten des Bundes, auch für die Bundesagentur für Arbeit oder die Deutsche Rentenversicherung Bund. Das Benachteiligungsverbot gilt auch für andere Behörden, soweit sie Bundesrecht ausführen (Versorgungs-/Sozialämter).
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Artikel 1: "Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei wird ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen."
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Artikel 7: Benachteiligungsverbot = Träger öffentlicher Gewalt darf Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen (wird ohne zwingenden Grund anders behandelt)
Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts

Das BGG wurde im Laufe der Zeit quasi weiterentwickelt. Die Verbesserungen traten am 27.07.2016 in Kraft.
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Artikel 4 bzgl. der Barrierefreiheit wurde ergänzt: "Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig."
Die Drucksache 18/8428 beinhaltet die Beschlussempfehlung dazu:
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"Mit den Änderungsanträgen wird die Definition von Barrierefreiheit (§ 4 BGG-E) durch die Zulassung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel (zum Beispiel Blindenführ- oder Assistenzhunde) erweitert."
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"Die Notwendigkeit für Klarstellungen habe es auch z. B. bei den Regelungen zur Mitnahme von behinderungsbedingt notwendigen Hilfsmitteln gegeben. In den Assistenzbedarf seien Tiere, z. B. Blindenführ- und Assistenzhunde, künftig deutlich einbezogen."
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) & Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I)
Das AGG existiert seit 2006. Es findet u. a. Anwendung im privatrechtlichen Bildungsbereich, den Gesundheitsdiensten (private Arztpraxen) und den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen; greifen tut es jedoch nur, wenn es sich um Diskriminierungen im Rahmen privater Rechtsverhältnisse handelt (z. B. private Schulen/Kindergärten, Einkauf von Lebensmitteln, Bezug von Strom durch einen privaten Anbieter, etc.).
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Artikel 3: Benachteiligungen von Menschen mit Behinderung
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Unmittelbare (direkte/offene) Benachteiligung: z. B. wenn eine öffentliche Einrichtung wie ein Restaurant geistig behinderten Menschen (oder Menschen mit einem Assistenzhund) den Zutritt verbietet unter dem Vorwand, dass sie die übrige Kundschaft stören
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Mittelbare (indirekte) Benachteiligung: eine Regelung hat typischerweise die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung zur Folge (z. B. ein allgemeines Hundeverbot ohne Ausnahme für Assistenzhunde)
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Belästigung: unerwünschte Handlungen, die zum Ziel/zur Folge haben, dass die Würde einer geschützten Person (z. B. Behinderter) verletzt wird; kann verbale oder nonverbale sein
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Anweisung zur Benachteiligung: das potentielle Opfer muss also nicht erst die Benachteiligung abwarten, sondern kann bereits gegen die Anweisung vorgehen
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Das Diskriminierungsverbot ist nicht verletzt, wenn für eine Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund vorliegt: Vermeidung von Gefahren (z.B. Flugreiseeinschränkungen für Schwangere), Schutz der Intimsphäre , Gewährung besonderer Vorteile (z.B. Preisnachlässe), religiöse Anknüpfung (Bevorzugung christlicher Kinder in einer christlichen Kindertagesstätte); der sachliche Grund muss von einigem Gewicht sein und muss mit dem Interesse an Gleichbehandlung abgewogen werden und darf sich im Vergleich nicht als unangemessen erweisen
Das SGB dient der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit, und soll dazu beitragen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern und besondere Belastungen des Lebens abzuwenden oder auszugleichen. Es wurde 1975 ausgefertigt.
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Artikel 17 des SGB I: Sozialleistungen müssen barrierefrei erbracht werden
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Im Zusammenhang mit dem AGG bedeutet das: Assistenzhunde dürfen auch in Arztpraxen mitgenommen werden (außer ein sachlicher Grund rechtfertigt die Ablehnung)
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Hausrecht in Deutschland
Das Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., § 903, § 1004 BGB). Die Begriffe "Hausfrieden" und "Unverletzlichkeit der Wohnung" beruhen auf Art. 13 des Grundgesetzes. Es gilt auch für gewerblich genutzte Grundstücke. Der Hausherr ist befugt, ein Hausverbot auszusprechen; wird dagegen verstoßen, liegt Hausfriedensbruch vor (§ 123 StGB) und kann zivilrechtliche Folgen haben.
Im AGG werden ausschließlich sachliche Gründe zur Abwendung einer Diskriminierung vorgesehen, z.B. gefährliches Verhalten eines Hundes (was bei Assistenzhunden nicht der Fall ist).
=> Das Hausrecht endet also dort, wo Diskriminierung anfängt.
Landesgleichstellungsgesetze und Landeshundegesetze
Jedes Bundesland in Deutschland hat ein eigenes Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen und ein eigenes Landeshundegesetz.
Da ich im Bundesland Nordrhein-Westfalen wohne gehe ich an dieser Stelle auszugsweise nur auf die entsprechend dort geltenden Gesetze ein.
Behindertengleichstellungsgesetz Nordrhein-Westfalen (BGG NRW):
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Artikel 2: Diskriminierungsverbot: "Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die von Behinderung bedroht sind, auf Grund ihrer Behinderung oder ihrer drohenden Behinderung im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen unterschiedlich behandelt werden, ohne dass hierfür ein zwingender Grund vorliegt"
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Artikel 4: nähere Definition von Barrierefreiheit
Hundegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (LHundG NRW):
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Artikel 2: Anleinpflicht in Fußgängerzonen, Parks, öffentlichen Gebäuden und bei öffentlichen Veranstaltungen
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Artikel 11: Haltung eines großen Hundes (ausgewachsen eine Widerristhöhe von mind. 40 cm oder ein Gewicht von mindestens 20 kg erreicht) ist der zuständigen Behörde vom Halter anzuzeigen; muss mit einem Mikrochip gekennzeichnet werden; für den Hund muss eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden

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Artikel 17: "Dieses Gesetz gilt mit Ausnahme von § 2 Abs. 1 nicht für Diensthunde von Behörden, Hunde des Rettungsdienstes oder des Katastrophenschutzes und Blindenführhunde. Für Behindertenbegleithunde, Herdengebrauchshunde und brauchbare Jagdhunde gelten die nach dem Gesetz bestimmten Anleinpflichten im Rahmen ihres bestimmungsgemäßen Einsatzes nicht."
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Sprich: Kann der Assistenzhund seinen Pflichten im angeleinten Zustand nicht nachkommen, ist er von der Anleinpflicht befreit
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Die Hundesteuer ist wider rum Sache der jeweiligen Kommune. Als Assistenzhundehalter kann man hierbei eine Befreiung von dieser Steuer beantragen.
Assistenzhunde sind Hilfsmittel und Blindenführhunden gleichgestellt
Wie bereits oben erwähnt wurde mit der Drucksache 18/8428 klargestellt, dass "die Nutzung Von Hilfsmitteln, die behinderungsbedingt notwending sind, zulässig ist. Von Hilfsmitteln im Sinne dieses Gesetzes sind insbesondere auch Blindenführ- und Assistenzhunde umfasst".
Das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) geht näher auf Hilfsmittel ein:
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Artikel 33 (1): "Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind."
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Artikel 139: Hilfsmittelverzeichnis
Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15.11.2007 – B 3 A 1/07 R.:
Das Hilfsmittelverzeichnis ist im rechtlichen Sinn nicht bindend. Bereits heute kann auch aus medizinischen Gründen ein Hilfsmittel verschrieben werden, das nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt ist, aber die in § 33 i.V.m § 139 SGB V beschriebenen Anforderungen erfüllt und den Ausfall körperlicher Funktionen nicht nur in einem geringen Umfang ausgleicht.
BSG · Urteil vom 3. August 2006 ·Az. B 3 KR 25/05 R:
Danach haben die Spitzenverbände der Krankenkassen keine gesetzliche Ermächtigung erhalten, durch das Hilfsmittelverzeichnis ihre Leistungspflicht gegenüber den Versicherten im Sinne einer „Positivliste“ abschließend festzulegen. Die Hilfsmittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 17. Juni 1992 (BAnz Beilage Nr. 183b) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2004 (BAnz 2005 Nr. 2 S 89), die unter Nr. 8 dem Vertragsarzt nach wie vor verbieten, Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkassen zu verordnen, sofern sie nicht im Hilfsmittelverzeichnis der Spitzenverbände der Krankenkassen aufgeführt sind, widersprechen der Gesetzeslage, worauf das BSG wiederholt hingewiesen hat.
Die Krankenkassen weigern sich in der Regel trotzdem, etwas anderes, als einen reinen Blindenführhund zu bezahlen.
Teilhabestärkungsgesetz vom 09.06.2021
Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger von Leistungen für Bildung und Teilhabe in der Sozialhilfe, kurz Teilhabestärkungsgesetz wurde am 09.06.2021 verkündet.
Was es unter anderem besagt (im Hinblick auf Assistenzhunde):
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Artikel 9 Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes
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§12e: Auch wenn Hunde ansonsten verboten sind, sollen Assistenzhunde zugang zu Anlagen und Einrichtungen haben. Der Zutritt darf nicht verweigert werden. Zu dem wird der Assistenzhund als "speziell ausgebildeter Hund" definiert, "der aufgrund seiner Fähigkeiten und erlernten Assistenzleistungen dazu bestimmt ist, diesem Menschen die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, zu erleichtern oder behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen."
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§12f, §12g, §12i, §12j: diese befassen sich mit der Zulassung und Prüfung eines Assistenzhunden. Selbst- und Fremdausbildung sind hierbei berücksichtigt.
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§12k: Es wird eine Studie geben, die die Umsetzung und Auswirkungen der beschlossenen Paragraphen untersuchen wird
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Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen der Anerkennung einzelner Assistenzhundearten. Auch der PTBS-Assistenzhund wird anerkannt und somit einem Blindenführhund gleichgestellt.
Was darf der Vermieter?
Wie bereits oben ausgeführt, endet das Hausrecht dort, wo Diskriminierung anfängt.
Zu dem dürfen seit 2013 Vermieter nicht mehr pauschal die Haltung von Hunden in Wohnungen verbieten, da dass Interesse des Mieters an der Tierhaltung das Verbietungsinteresse des Vermieters bei Weitem überwiegt, was bei „therapeutisch indizierten“ Tieren regelmäßig der Fall sein wird (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 13. Januar 2005, 307 S 155/04, S. 4).
"Das Bayerische Oberlandesgericht entschied, es sei grob unbillig, ein bestehendes, grundsätzlich zulässiges Hundehaltungsverbot gegenüber einem behinderten Wohnungseigentümer durchzusetzen, wenn das Tier dem Zweck dient, besondere Bedürfnisse und Zustände, die durch die körperliche Behinderung entstehen, auszugleichen (BayObLG 25.10.2001 – 2 Z BR 81/01). In diesem Fall hatte sich der Mieter den Hund während des bestehenden Mietverhältnisses angeschafft. Es ist aber auch denkbar, einen Vermieter/in zu verpflichten, einen bestehenden Vertrag, der ein Hundeverbot enthält, abzuändern, um einem behinderten Mietinteressenten den Einzug mit Hund zu ermöglichen." Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Handbuch "rechtlicher Diskriminierungsschutz", Seite 123)
Darf der Assistenzhund mit zur Arbeit?
Arbeitgeber sind dazu angehalten, angemessene Vorkehrungen zu gewährleisten die der Gleichbehandlung dienen, so lange kein unverhältnismäßiger Aufwand dafür von Nöten ist (Art. 5 RL 2000/78/EG).
§ 106 Abs. 3 GewO verpflichtet den Arbeitgeber zur Rücksichtnahme auf die Belange von behinderten Beschäftigten.

Kleine Bitte
Jedwede kleine Spende bedeutet mir sehr viel und bringt mich meinem Wunsch, dank eines Assistenzhundes wieder mehr am Leben teil zu haben und mehr Lebensfreude zu verspüren, näher. ♥